Im Zuge des Kampfes gegen Influenza- und andere Viren rückt das antivirale Potential einiger Vitalpilze (Medicinal Mushrooms) und Pflanzen immer mehr in den Fokus der Aufmerksamkeit. Ist das gerechtfertigt?
Vor Beantwortung dieser Frage muss klar auf den Unterschied zwischen antiviralen und immunstimulierenden Wirkungen hingewiesen werden. Während direkte antivirale Effekte z.B. die Hemmung der Adhäsion und Aufnahme der Viren an bzw. in die Wirtszellen oder den Stopp ihrer Teilung beinhalten, bedeuten die immunstimulierenden Wirkungen eine Verbesserung der körpereigenen Virusabwehr. Beide Aktivitäten sind wünschenswert und ergänzen einander. Ein Vorteil komplexer Pilz- oder Pflanzenextrakte kann sein, dass sowohl antivirale als auch immunstimulierende Inhaltsstoffe enthalten sind. Bei Pilzen, z. B. Shiitake (Lentinula edodes), Agaricus (Agaricus subrufescens) und Maitake (Grifola frondosa), stehen die immunstimulierenden Wirkungen im Vordergrund. Sie werden in erster Linie von β-Glucanen und weiteren Polysacchariden ausgeübt und sind auch in vivo gut belegt. In einer randomisierten, doppelblinden, placebokontrollierten Studie konnte gezeigt werden, dass Glucane, isoliert aus Reishi (Ganoderma lucidum), bei asymptomatischen 3-5 Jahre alten Kindern, die die Glucane eingerührt in Joghurt über 12 Wochen eingenommen hatten, eine Anregung von für die Infektabwehr wichtigen Immunparametern bewirken. Nebenwirkungen traten nicht auf, und die Compliance war gut (Duque Henao et al. 2018). Gesunde junge Erwachsene, die über 4 Wochen täglich 5 oder 10 g getrocknete Shiitake-Pilze verzehrt hatten, zeigten u. a. einen höheren Titer an IgA-Antikörpern als Zeichen für eine verbesserte Schleimhautimmunität und verminderte Werte für den Entzündungsparameter (Dai et al. 2015). Ein Kombinationspräparat aus Extrakten verschiedener Vitalpilze, u. a. Shiitake, Reishi, Ophiocordyceps und Agaricus, bewirkte bei AIDS-Patienten eine Zunahme der Anzahl CD4+-positiver Zellen (Adotey et al. 2011). Ein Extrakt aus kultiviertem Cordyceps-Mycel (Ophiocordyceps sinensis, CBG-Cs-2, 1,68 g/Tag, 8 Wochen) erhöhte bei gesunden Erwachsenen verschiedene Parameter der zellulären Immunität, u. a. die Aktivität von NK-Zellen (Jung et al. 2019). Neben den immunstimulierenden besitzen Pilzen auch direkte antivirale Wirkungen. Besonders für Triterpene aus Reishi und anderen Ganoderma-Arten wurden antivirale Effekte, u. a. auch gegen Influenza- und Herpes-Viren, gezeigt (Übersicht bei Basnet et al. 2017). Extrakte und Triterpene aus Inonotus (Inonotus obliquus), auch als „Chaga“ bekannt, zeigen ebenfalls Hemmwirkungen gegen Influenza-Viren (Kahlos et al. 1996). Auch einige Pflanzen üben antivirale Wirkungen aus. So werden die Blätter bzw. das Kraut der im Mittelmeerraum beheimateten Zistrosen (Kretische Zistrose (Cistus creticus L.), auch Graubehaarte Zistrose (Cistus incanus L.), Familie Cistaceae) volkstümlich u. a. bei Erkältungskrankheiten angewendet. Das früher bei dieser Indikation verwendete Harz Ladanum (Resina Ladanum) stammt u. a. aus der Kretischen Zistrose. Heute ist das Kraut von C. incanus als traditionelles Arzneimittel zur Behandlung von Schleimhautentzündungen im Mund- und Rachenraum registriert. Biologisch aktive Inhaltsstoffe sind ätherisches Öl, Harz und polyphenolische Verbindungen wie Phenolsäuren, Flavonoide und hydrolysierbare Gerbstoffe. Die in vitro und in vivo, auch beim Menschen, nachgewiesenen Effekte gegenüber Grippe-Erregern beruhen auf der Verhinderung des Anheftens an und des Eindringens verschiedener Typen von Influenza-Viren in Körperzellen (Kalus et al. 2009, Arzneipflanzenlexikon). Die eingangs genannte Frage kann eindeutig mit „ja“ beantwortet werden. Einige Vitalpilze, darunter Shiitake und Reishi, und Pflanzen, z.B. Zistrosen, sind als unterstützende Mittel bei der Abwehr und Bekämpfung viraler Infektionen geeignet. Sie können allgemeine Vorsichtsmaßnahmen und die Anwendung von Arzneimitteln, soweit diese verfügbar sind, sinnvoll ergänzen, diese jedoch nicht ersetzen.
Eine Stellungnahme von Frau Prof. em. Dr. Ulrike Lindequist
Unterstützung aus der Natur bei Influenza und anderen virus-bedingten Erkrankungen AfN – Akademie für Naturheilkunde GmbH Peilsteinerstraße 7 | A-5020 Salzburg | Tel.: +43 (0)662 261 909 -0 | Fax: DW -99 E-Mail: info@naturheilkunde-akademie.at | www.naturheilkunde-akademie.at
Referenzen: Adotey G et al. (2011): Antiretroviral agent of medicinal mushrooms (Immune Assist 24/7) on CD4+ T lymphocyte ccouts of HIV-infected patients. Int J Med Mushrooms 13(2): 109-113. Basnet BB et al. (2017): Current and future perspective on antimicrobial and anti-parasitic activities of Ganoderma sp.: an update. Mycology 8(2): 111-124. Dai X et al. (2015): Consuming Lentinula edodes (Shiitake) mushrooms dauly improves human immunity: a randomized dietary intervention in healthy young adults. J Amer Coll Nutr. Doi: 10.1080/07315724.2014.950391. Duque Henao SL et al. (2018): Randomized clinical trial for the evaluation of immune modulation by yogurt enriched with ß-glucans from Linghzi or Resihi medicinal mushroom, Ganoderma lucidum (Agaricomycetes) in children from Medellin – Colombia. Int J Med Mushrooms 20(8): 705-716. Jung SJ et al. (2019): Immunmodulatory effects of a mycelium extract of Cordyceps (Paecilomyces hepial; CBG-CS-2): a randomized and double-blind clinical trial. BMC Compl Alternat Med 19,77. Doi.org./10.1186/s12906-019-2483-y. Kahlos K et al. (1996): Preliminary tests of antiviral activity of two Inonotus obiquus strains. Fitoterapia LXVII(4): 344-347. Kalus U et al. (2009): Cistus incanus (CYSTUS052) for treating patients with infections of the upper respiratory tract. A prospective, randomised, placebo-controlled clinical study. Antiviral Res 84(3): 267-271. Kooperation Phytopharmaka. Arzneipflanzenlexikon. www.arzneipflanzenlexikon.info/zistrose.php. Abgerufen 02.03.2020.
Ergänzung durch die AfN – Akademie für Naturheilkunde: Neben der Zistrose haben noch andere Heilpflanzen antivirales bzw. immunstärkendes Potenzial, so z.B. der Rote Sonnenhut (Echinacea purpurea). Ganz allgemein empfiehlt es sich in Zeiten von grassierenden Viren und Bakterien und erhöhter Ansteckungsgefahr einen Salbeispray mit sich zu führen und so den Mund und Rachenraum zu schützen. Salbei ist adstringierend und hat eine keimwidrige Wirkung (antiviral und antibakteriell). Quelle: Bühring, Ursel: Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde. Grundlagen – Anwendung – Therapie. 3. Auflage. Stuttgart: Karl F. Haug Verlag, 2011.
Eine gute Versorgung mit Mikronährstoffen kann den Körper ebenfalls dabei unterstützen einerseits durch ein gestärktes Immunsystem Infektionskrankheiten abzuwehren und andererseits bei Ansteckung den Verlauf und die Schwere zu mildern: Vitamin C: Tagesdosis 250-500 mg zur Prävention. 1-2 g zur Behandlung einer Erkältung. Vitamin C kann die Dauer einer Erkältung verkürzen und die Heftigkeit mildern. Es erhöht die Immunfunktion und mildert virale Infekte. Vitamin E: Tagesdosis 100-200 mg zur Prävention. Stärkt das Immunsystem und kann die Infektionsabwehr erhöhen, besonders bei älteren Menschen. Vitamin E sollte bei langfristiger und/oder erhöhter Dosierung in Kombination mit Vitamin C eingenommen werden. Vitamin B6: 25-50 mg zur Prävention. 250-500 mg für die Behandlung bestehender Infektionen. Stärkt das Immunsystem und kann die Infektionsabwehr erhöhen. Generell trägt der gesamte Vitamin-B-Komplex zur Unterstützung der Immunbarriere von Haut und Schleimhaut der Atemwege bei. Zink: 10-30 mg zur Vorbeugung gegen Erkältungskrankheiten und Infekten. Bei ersten Anzeichen 60-90 mg über den Tag verteilt einnehmen. Stärkt das Immunsystem und kann die Infektionsabwehr erhöhen. Ein Selenmangel kann die Infektionsgefahr und die Schwere der Infektion erhöhen, besonders, wenn sie durch Viren ausgelöst sind. Eine Selensupplementierung scheint auch das Komplikationsrisiko von akuten Infekten und Erkältungen zu reduzieren (z.B. Superinfekte, Lungenentzündungen). Ein Vitamin-D-Mangel scheint das Risiko von Atemwegsinfekten zu erhöhen. Außerdem ist Vitamin D ein Immunmodulator, der auch entzündungshemmend wirkt. Vitamin D3 ist nötig für die Bildung der natürlichen Killerzellen (nK-Zellen) im Körper.
Quelle: Burgerstein, U.P. et al.: Burgerstein. Handbuch für Nährstoffe. 13. Auflage. Stuttgart: TRIAS-Verlag, 2018.
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